13.04.2005
Von Anke Jackowski
Leipzig/Stollberg. Wenn es demnächst einen Preis für die hundefreundlichste Stadt in Deutschland geben sollte, hätte Stollberg gute Chancen. Den dortigen Stadträten liegt das Wohl der Vierbeiner so sehr am Herzen, dass sie Ende März einstimmig beschlossen, den Arbeitslosengeld-II-Empfängern die Hundesteuer künftig zu erlassen.
Die neue Satzung tritt morgen in Kraft und gilt rückwirkend zum 1. Januar diesen Jahres. Der parteilose Bürgermeister Marcel Schmidt, selbst stolzer Hundebesitzer, begründet die wohl deutschlandweit bisher erste Aktion dieser Art so: "Wir wollen verhindern, dass aus finanziellen Gründen Hunde abgegeben werden müssen, die oftmals für den Besitzer eine starke emotionale Bindung darstellen."
Jährlich können Herrchen oder Frauchen somit 61,36 Euro sparen. Vorausgesetzt, sie sind auch wirklich Alg-II-Bezieher. Das wollen die Mitarbeiter vom Stollberger Finanzamt genauestens kontrollieren. "Es wird keine Pauschalentscheidung geben, immer wird eine Einzelfallprüfung stattfinden", versichert Marlies Normann, Stadtkämmerin in der 13 200 Einwohner zählenden Erzgebirgsstadt. Denn Missbrauch der gut gemeinten Initiative soll ausgeschlossen werden. Schließlich bedeutet der Wegfall der Hundesteuer nicht nur ein finanzielles Minus im Stadtsäckel, sondern auch mehr Arbeit in der Behörde. Wie hoch die Verluste durch die geringeren Einnahmen sein werden, ist noch ungewiss. Bisher liegen neun Anträge von Hartz-IV-Betroffenen auf Befreiung von der Steuer vor.
Steffen Bernhardt, Mitglied im Vorstand des Stollberger Tierheimes, findet den Erlass der Steuer "sehr gut". Er hofft, dass damit Menschen in finanzieller Not ein wenig geholfen werden kann und sie sich nicht von ihrem Tier trennen müssen. Seine Befürchtungen, dass Hartz IV sich auch in einer steigenden Zahl abgegebener Hunde niederschlägt, ist zum Glück noch nicht eingetreten. "Aber Fragen besorgter Tierhalter gab es schon eine Menge", berichtet Bernhardt.
Auch Judith Schmalzl muss in jüngster Zeit immer häufiger trösten und beruhigen. "Zwei bis drei Anrufe erhalte ich täglich von verzweifelten Hundebesitzern, die ihr Tier aus finanziellen Nöten nicht mehr versorgen können. Die Leute weinen am Telefon", sagt die Sprecherin vom Deutschen Tierhilfswerk. Deshalb begrüßt sie die Stollberger Initiative ausdrücklich. Schließlich habe die Stadt erkannt, dass dadurch möglicherweise weniger Hunde in kommunalen Tierheimen landen, wo sie dann aus Steuergeldern versorgt werden müssen. "Ich hoffe sehr, dass das Stollberger Beispiel bundesweit Schule macht", sagt Judith Schmalzl.
In der näheren Umgebung ist die Initiative indes umstritten. Im 15 Kilometer entfernten Burkhartsdorf beispielsweise findet der dortige Ortschef die Stollberger Idee "kurios". "Es gibt viele, die, obwohl sie nicht Alg-II-Bezieher sind, ebenso wenig verdienen. Sie kommen aber nicht in den Genuss der Steuerbefreiung", kritisiert Holger Vorberg. Hartz IV ist für den CDU-Politiker kein Kriterium für Unterstützung, vielmehr sollte es das Einkommen sein, das wäre gerechter. Zudem befürchtet er den Missbrauch der Regelung.
Das wollen die Stollberger Stadträte jedoch verhindern. Ihre Tierliebe hat deshalb Grenzen. Die Befreiung von der Steuer gilt jeweils nur für den ersten Hund, und der muss schon länger beim Besitzer leben.
Anke Jackowski
Quelle: Leipziger Volkszeitung 13.04.2005 - www.lvz-online.de/lvz-heute/163207.html