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Allein erziehende Mutter kann erhöhte Steuern für „Tiquila“ nicht bezahlen / Tierärztin will Hund nicht einschläfern

   Von Jutta Oerding

   Als Welpen hat Andrea H. ihren Hund „Tiquila“ halb verhungert und erfroren aufgelesen und monatelang gesund gepflegt. Das war vor zehn Jahren, ihr Kind war damals fünf Jahre alt. Jetzt müssen sich Mutter und Sohn von ihrem geliebten „Tiquila“ trennen: Er fällt unter die Kategorie Kampfhund und kostet jährlich 600 Euro Steuern und 272 Euro Versicherung – zu viel für die allein erziehende Mutter. Zunächst hatte H. Widerspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt und muss jetzt 1900 Euro nachzahlen. Mutter und Sohn sind in einer verzweifelten Lage: Behalten können sie den Pitbull-Mischling nicht – und das Tierheim nimmt ihn nicht.

   Im Tierheim leben schon 25 Kampfhunde – ohne große Chancen auf Vermittlung. „Unsere Aufgabe ist es, verlassene Tiere aufzunehmen“, erläutert Geschäftsführer Heiko Schwarzfeld. Auch Tierärztin Renate Fries-Jung sieht keinen Ausweg: „Mit tränenerstickter Stimme hat mich die Halterin gebeten, ,Tiquila‘ einzuschläfern.“ Aber wegen finanzieller Not dürfe und wolle sie keinen Hund töten, und „Tiquila“ schon gar nicht. Er sei sanft und freundlich und gehöre seit Jahren zu ihren Lieblingspatienten, sagt die Tierärztin. Im Gegensatz zu anderen Hunden zeige er nicht einmal auf dem Behandlungstisch Spuren von Aggressivität. Doch nicht alle Kollegen reagieren wie sie. „Wir haben gegen mehrere Tierärzte ermittelt, die Kampfhunde wegen der hohen Steuern eingeschläfert haben“, sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Iburg. Er erinnert sich auch an einen Kampfhund, der mit eingeschlagenem Schädel im Kanal trieb.

   In Niedersachsen gelten Hunde seit 2003 nicht auf Grund ihrer Rasse, sondern nur nach ihrem individuellen Verhalten als gefährlich. Diese Einschätzung deckt sich mit wissenschaftlichen Studien. Die umfangreichsten Untersuchungen in der Bundesrepublik stammen aus der Tierärztlichen Hochschule Hannover. „Wir haben den Wesenstest nicht ungenutzt gelassen“, erläutert Prof. Hansjoachim Hackbarth. Parallel zu den Kampfhunden seien auch Tiere anderer Rassen untersucht worden. „Mir ist nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet so genannte Kampfhunde höher besteuert werden“, sagt der Experte. Sie seien nicht mehr oder weniger gefährlich als andere. „Genauso gut könnte man alle Hunde mit weißem Fell herauspicken.“

   Quelle: HAZ  12.03.2005






Kommentar: Schlimme Folgen

   Vor Jahrzehnten durften Gerichtsvollzieher Hunde wie Teppiche pfänden. Damit haben sie viel Trauer und Verzweiflung ausgelöst, vor allem bei Familien mit Kindern. Die erhöhte Steuer für Kampfhunde hat ganz ähnliche Folgen: Menschen mit geringem Einkommen müssen sich von ihren geliebten Tieren trennen und finden dafür nicht einmal einen legalen Weg. Dass die Kommunen die Zahl der Kampfhunde senken wollen, ist nachvollziehbar. Sie dürfen aber nicht die Bürger plötzlich bestrafen, die ihren Hund schon seit Jahren haben und mit der Steuererhöhung nicht rechnen konnten.
 
   Eine Satzung mit Rückwirkung hat schlimme Folgen: Ausgesetzte oder erschlagene Hunde und weinende Kinder.  Jutta Oerding

   Quelle: HAZ  12.03.2005


(Äußerst erfreuliche Resonanz auf die Berichterstattung über das Schicksal von "Tiquila" >>)