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    - Landtagsinformationen -
   In einer öffentlichen Anhörung am 11. Januar 2007 hat der Innenausschuss des Landtages von Sachsen-Anhalt Sachverständige, Vereine und Verbände zu den geplanten neuen Regelungen eines Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren angehört. Von den eingeladenen 45 Organisationen nahmen 32 an der ca. sechsstündigen Anhörung im Plenarsaal des Landtages teil. Neben den Mitgliedern des Innenausschusses diskutierten auch Vertreterinnen und Vertreter der mitberatenden Ausschüsse für Recht und Verfassung und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Innenminister des Landes mit den externen Fachleuten.

   Insbesondere Rasseliste umstritten

   Im Mittelpunkt der Diskussion stand die geplante Einführung einer sog.Rasseliste, also die Einstufung bestimmter Hunderassen als besonders gefährlich. Eine Vielzahl der eingeladenen Experten machte deutlich, dass die Gefährlichkeit eines Hundes nicht an der Rassezugehörigkeit auszumachen sei. Vielmehr sei die artgerechte Haltung und die Zuverlässigkeit des Besitzers massgeblich für die Verträglichkeit und das Verhalten der Tiere. Vertreter der Polizei und der Ordnungsbehörden gaben zu bedenken, welche Probleme mit der Einstufung von Mischlingshunden der sog. Kampfhunderassen und damit der Durchsetzung des geplanten Gesetzes verbunden seinen. Die Fachleute waren sich allerdings in ihrer Forderung einig, eine Haftpflichtversicherung für alle Hunde einzuführen. Auch wurde von einigen der Vorschlag gemacht, einen Zuverlässigkeitsnachweis und eine Sachkundeprüfung von allen Hundehaltern festzuschreiben. Der Innenausschuss wird in seiner Sitzung am 8. März 2007 die Anhörung auswerten und den Gesetzentwurf weiter beraten.
Das Protokoll der öffentlichen Anhörung wird in Kürze hier zu finden sein.

Gesetz ist Voraussetzung für detaillierte Regelungen

   Grundlage der Anhörung war der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf (Drs. 5/284), den der Landtag in seiner 8. Sitzung am 19. Oktober 2006 in einer ersten Lesung beraten und dann in die Fachausschüsse überwiesen hatte.

   Sachsen-Anhalts Bevölkerung soll damit per Gesetz künftig wirksamer vor den von Hunden ausgehenden Gefahren geschützt werden. Nach mehreren schweren Attacken in jüngster Vergangenheit, bei denen einige Menschen durch Bisse schwer verletzt und eine Frau sogar getötet wurden, soll das neue Bundesland nun als letztes in Deutschland ein spezielles Kampfhundegesetz bekommen. Die Landesregierung will mit diesem Gesetz eine tragfähige Rechtsgrundlage schaffen, um insbesondere Gefahren für Leib und Leben von Menschen und Tieren, die von Hunden bestimmter Rassen ausgehen können, in Zukunft wirksam vorbeugen zu können. Mit dieser gesetzlichen Regelung soll die Lücke geschlossen werden, die durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. Dezember 2002 entstanden war. Das Gericht hatte die Gefahrenabwehrverordnung des Landes zum Schutz vor gefährlichen Hunden vom 26. März 2002 für nichtig erklärt, da insbesondere für die Aufnahme bestimmter Hunderassen, die ein überdurchschnittliches Gefährdungspotenzial vermuten lassen in eine sog. Rasseliste eine spezielle gesetzliche Regelung notwendig sei. Eine Verordnung reiche hierfür nicht aus.

   § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs ermächtigt die Landesregierung in einer Verordnung zu regeln, bei welchen Hunden aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit ein überdurchschnittliches Gefährdungspotenzial vermutet wird, welche Voraussetzungen die Halter dieser Hunde erfüllen müssen bzw. unter welchen Voraussetzungen diese Hunde gehalten werden dürfen. Mit § 2 dieser Vorschrift sollen die Halter dieser Hunde zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung einer Haftpflichtversicherung verpflichtet werden, um im Fall einer Schädigung Dritter die Begleichung der finanziellen Folgen sicherzustellen. Gemäß § 3 des Gesetzentwurfs werden Verstößen gegen die Haftpflichtversicherungspflicht mit einem Bußgeld bedroht.

   Das Gesetz schafft die Voraussetzung für eine Verordnung des Innenministeriums, die unter anderem die Rasseliste enthalten wird. Für die dazu gehörenden Tiere und andere auffällig gewordene Hunde soll dann unter anderem Leinen- und Maulkorbzwang bestehen, eine „Wesensprüfung“ und Kennzeichnung durch einen elektronisch lesbaren Chip vorgeschrieben sein. Für die Halter wird eine Zuverlässigkeits- und Sachkundeprüfung – eine Art „Hundeführerschein“ – verbindlich.
Durch das Gesetz sollen Halter gefährlicher Hunde auch zum Abschluss einer Haft-pflichtversicherung über mindestens eine Million Euro pauschal für durch ihren Hund verursachte Personen- und Sachschäden sowie 25.000 Euro für sonstige Vermögensschäden verpflichtet werden. Wer dieser Versicherungspflicht nicht nachkommt, handelt ordnungswidrig und muss mit einem Bußgeld rechnen.

Bisherige Beratungen im Ausschuss

   Der Ausschuss für Inneres hat sich erstmals in seiner 7. Sitzung am 8. November 2006 mit diesem Gesetzentwurf befasst. Im Vorfeld dieser Beratung wandten sich eine Tierärztin, der Verband der Tierpsychologen und Tierverhaltenstherapeuten e. V. sowie Hundehalter und -züchter, deren Hunde als gefährlich eingestuft werden sollen, an den Innenausschuss und legten ihren Standpunkt zu dem Gesetzentwurf dar. Sie baten, im Innenausschuss zum Gesetzentwurf angehört zu werden und wiesen darauf hin, dass die Gefährlichkeit von Hunden nicht von der Zugehörigkeit einer bestimmten Rasse abhängig ist.

   Der Ausschuss für Inneres beschloss, am 11. Januar 2007 eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf durchzuführen. Zur Anhörung wurden 45 Sachverständige, Vereine, Verbände sowie die mitberatenden Ausschüsse für Recht und Verfassung und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingeladen. Da sich der vorliegende Gesetzentwurf im Wesentlichen an den Inhalten der Verordnung des Bundeslandes Hessen orientiert, wurde zur Anhörung auch ein Vertreter des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport gebeten.

Kontroverse Debatten bei der 1. Beratung im Landtag
  
   Eine landesweite Regelung gegen gefährliche Hunde sei nötig, sagte Innenminister Holger Hövelmann am 13. Oktober 2006 in seiner Einbringungsrede vor dem Plenum. Er erinnerte daran, dass die Anfang 2002 erlassene Gefahrenabwehrverordnung zum Schutz vor gefährlichen Hunden schon kurze Zeit später vom Oberverwaltungsgericht für nichtig erklärt wurde. Die richterlichen Vorbehalte wandten sich damals jedoch nicht grundsätzlich dagegen, dass bestimmte Hunde, bei denen wegen ihrer Rassezugehörigkeit ein überdurchschnittliches Gefährdungspotenzial zu vermuten ist, in eine Liste aufgenommen werden. Vielmehr wurde die fehlende gesetzliche Grundlage für eine solche Verordnung von Maßnahmen zur Gefahrenvorsorge beanstandet. Das soll sich durch die von der Landesregierung eingeleitete Gesetzesinitiative jetzt rasch ändern. Dieses Gesetz wird festlegen, dass Gefahrenabwehrverordnungen künftig auch Gebote und Verbote zu Hunden enthalten können. Die geplante Liste von Rassen, bei denen aufgrund statistischer Erhebungen, Erfahrungen, rassespezifischer Merkmaler, Zucht, Haltung, Ausbildung oder Abrichtung eine über das natürliche Maß hinaus gehende Kampfbereitschaft, Angriffslust und Schärfe anzunehmen sei, die für Menschen und Tiere gefährlich werden könne, bezeichnete der Innenminister als Kernstück einer auf Vorsorge ausgerichteten Politik zur Gefahrenabwehr. Denn wenn man nicht alle Hunde mit Maulkorb- und Leinenzwang belegen und nicht auch noch von Besitzern von Zwergpinschern einen Hundeführerschein verlangen wolle, brauche man Unterscheidungsmerkmale. „Solche Unterscheidungsmerkmale sind die Zugehörigkeit zu einer Rasse mit besonders hoher Beißkraft und die Tatsache, dass es bei diesen Rassen oft nicht beim einmaligen Zubeißen bleibt.“

   Gewiss könne man durch Gesetz und Verordnung Angriffe von gefährlichen Hunden nicht gänzlich verhindern, sagte der SPD-Abgeordnete Bernward Rothe, „aber mit den Hürden für die Haltung und das Führen von auffälligen Hunden wird das Gefährdungspotenzial enorm eingeschränkt“. Vom Koalitionspartner wie aus der Opposition kamen jedoch Einwände zum Gesetzentwurf. „Kein Hund wird als Beißer geboren“, meinte der CDU-Abgeordnete Jens Kolze. Zudem könne ein genereller Maulkorb- und Leinenzwang nach Expertenansicht bei den Tieren zu Verhaltensstörungen führen. Generell aber wolle sich die CDU nicht der Diskussion verschließen, plädiere zum Beispiel für ein Zuchtverbot für Laien oder für strenge Kontrollen zur artgerechten Haltung. Der FDP-Parlamentarier Guido Kosmehl kritisierte ebenfalls vor allem die geplante Rasseliste, weil zum Beispiel Schäferhunde oder Rottweiler, die nicht darauf erfasst werden sollen, ebenfalls zubeißen können. Manche Halter gefährlicher Hunde werde man durch ein Gesetz auch nicht erreichen, sondern nur durch Kontrollen. Und dafür reichten die bestehenden Regelungen aus.

   Gefahren können gleichermaßen von Hunden wie von Haltern ausgehen, meinte auch die Linkspartei-Abgeordnete Gudrun Tiedge. Immerhin sei der Mensch als Züchter oder Halter der Ausgangspunkt für konkrete Verhaltensweisen bei den Tieren. Der Gesetzentwurf geht nach Ansicht der Linkspartei/PDS nicht weit genug, der Verordnungsweg sei keine Alternative.

   Trotz aller Vorbehalte wurde das Papier mit großer Zustimmung aus allen Fraktionen zur weiteren Beratung in die parlamentarischen Ausschüsse überwiesen.

11.01.2007

http://www.landtag.sachsen-anhalt.de/